Personalratswahlen 2024 vom 6.5.-13.6.

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Es reicht!

Stellungnahme einer Lehrkraft zur Begrenzung der voraussetzungslosen Teilzeit.

voraussetzungslose Teilzeit 2Voraussetzungslose (?) Teilzeit

Ist die so genannte „voraussetzungslose Teilzeit“ nach § 63 Landesbeamtengesetz (LBG) wirklich voraussetzungslos?
Die Frage stellen heißt sie verneinen. Der Begriff ist eine sprachliche Mogelpackung, mindestens aber irreführend, und suggeriert Außenstehenden wie z. B. dem Wahlvolk, dass eine Lehrkraft, die sie in Anspruch nehmen möchte, eigentlich keine so „richtigen“ Gründe dafür hat, wie es z. B. die Betreuung von minderjährigen Kindern (§ 64 LBG) oder pflegebedürftigen Angehörigen (§ 67 LBG) ist.

Beschränkung von Teilzeitmöglichkeiten politisch motiviert

Da verwundert es nicht, dass die Politik in Zeiten des Lehrkräftemangels hier eine gute Möglichkeit sieht, a) die Unterrichtsversorgung zu verbessern, b) sich dem Wahlvolk als Kümmerer in puncto Bildungspolitik anzudienen und c) als netten Nebeneffekt in populistischer Weise den Eindruck zu erwecken, man würde jetzt Schlupflöcher für die faulen, überbezahlten Lehrer/innen schließen. Die ja nur deshalb Teilzeit beantragen, um länger auf dem Tennisplatz stehen und hedonistisch an ihrer Work-Life-Balance arbeiten zu können. 

Problem der Nichterfassung der Arbeitszeit im Bereich Schule

Tatsache ist allerdings, dass die so genannte „voraussetzungslose Teilzeit“ oft in blanker Notwehr beantragt wird. Wie die meisten anderen Arbeitnehmer/innen klaren Verstandes reduzieren auch Lehrerinnen und Lehrer nicht ohne Not ihr Gehalt und ihre Pensions- bzw. Rentenansprüche, entweder über Jahre oder gar ihr ganzes Berufsleben lang. Anders aber als in vielen anderen Branchen wird die Arbeitszeit von Lehrkräften nicht einmal erfasst, obwohl dies laut dem „Stechuhr“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019 und seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von 2022 eigentlich längst verpflichtend ist.
Im Gegensatz zu den Arbeitnehmenden anderer Bereiche haben also Lehrkräfte an-gesichts fehlender Arbeitszeiterfassung nicht einmal die Möglichkeit, eine zeitliche Überlastung - z. B. durch ein Übermaß an Pflichtkorrekturen - nachzuweisen. Eini-ge Mitglieder der „Vereinigung der KorrekturfachlehrerInnen“ (VKL) haben dies-bezüglich Gerichtsprozesse geführt - und wurden allesamt mit den Hinweisen ab-gebügelt, dass a) ihre genaue Arbeitszeit gar nicht erfassbar sei (schon mal ein Ar-mutszeugnis an sich und außerdem längst empirisch widerlegt, vgl. den Artikel „Lehrerarbeitszeit: Nicht zu (er)fassen!?“ hier auf der Homepage) und dass b) sie ihre zu hohe zusätzliche zeitliche Mehrbelastung durch Pflichtkorrekturen nicht nachvollziehbar hätten darlegen können (die zumindest aber für all jene Nichtjurist/inn/en unmittelbar einsichtig ist, welche die Grundrechenarten Addition und Multiplikation beherrschen).

Wie Schulleitungen und Dezernent/inn/en schulische Belastung kleinrechnen

Ein vergleichbares Problem haben Lehrkräfte, wenn Schulleitung und Bezirksregierung anlässlich der (seit dem „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ verpflichtenden) intensiven Einzelfallprüfung über ihren Teilzeitantrag „zu Gericht sitzen“. Und so ist es schon vorgekommen, dass einer „Angeklagten“ mit zwei Korrekturfächern, die eine zu hohe zeitliche Belastung durch unvermeidliche Korrekturen zur „Verteidigung“ ihres Teilzeitantrags vorbrachte, von Seiten der „Anklage“ beschieden wurde, ihr Korrektur- und Unterrichtsaufwand sei ja eigentlich gering. An „belastendem Material“ wurde geltend gemacht, sie sei aktuell ja nur in einem Fach eingesetzt (bei wohlgemerkt zwei Korrekturfächern), habe keine Oberstufe sowie parallele Lerngruppen, in denen dann ja auch nur eine Klassenarbeit gestellt werden müsse. Subtext: Stellen Sie sich also mal nicht so an.

Wolkenkuckucksheim meets Schulwirklichkeit

Derart unwürdig angegriffen, können dann solchermaßen „Angeklagte“ - und ggf. die „Verteidigung“ (z. B. in Form des Personalrats) - zur „Entlastung“ versuchen, das „Urteil“ (Ablehnung des Teilzeitantrags) noch abzuwenden, indem sie z. B. der Bezirksregierung und den Schulleitungen (bei denen „Sprachler/innen“ oder gar „Doppelkorrigierer/innen“ stark unterrepräsentiert sind, woraus oft wenig Verständnis für Vielkorrigierende resultiert) aus der schulischen Wirklichkeit bzw. dem Alltag von Korrekturfachlehrkräften berichten. In dieser erstaunlichen Parallelwelt sind nicht nur die Korrekturen in der Oberstufe kaum zu bewältigen, sondern auch Unter- und Mittelstufenklassen oft sehr voll, was zudem die Wahrscheinlichkeit von Nachschreiber/inne/n (noch mal ein ganz eigenes Thema) oder gar Nach-Nachschreiber/inne/n erhöht, was wiederum den Arbeits- und Organisationsaufwand weiter steigert. In dieser tatsächlichen, echten Schulwelt kann man auch in den seltensten Fällen Lerngruppen auf Dauer so parallel führen, dass sie inhaltsgleiche Klassenarbeiten schreiben können, am besten auch noch zeitgleich. Denn bei den Lernenden spricht sich schnell herum, welche Lehrkraft in ihren parallelen Kursen gleiche oder sehr ähnliche Arbeiten schreiben lässt. Sobald aber Schüler/innen und/oder deren Eltern Vor- oder Nachteile für die eine oder andere dieser parallelen Lerngruppen oder für Nachschreiber/innen erkennen und „nach oben“ berichten, hat die betroffene Lehrkraft ein Problem.

Falsche Bezirksregierung und/oder falsche Fächer ausgesucht? Pech gehabt!

Wie stehen nun die Chancen für die „Angeklagten“, wenn sie sich nach ihrem Teilzeitantrag vor ein solches „Tribunal“ gestellt sehen? Es kommt sehr auf das jeweilige „Tribunal“ an, denn anscheinend wird in den fünf verschiedenen NRW-Bezirksregierungen eine jeweils unterschiedliche Verwaltungspraxis geübt. So werden offenbar bei der einen Bezirksregierung Teilzeitanträge von Lehrkräften über 55 generell bewilligt, bei der anderen Bezirksregierung nicht. Und bei mindestens einer Bezirksregierung werden zu viele Korrekturen ausdrücklich nicht als Bewilligungsgrund anerkannt. Ansonsten gilt: Vor Gericht und auf hoher See…
Natürlich steht man mit seinem Teilzeitantrag nicht wirklich vor Gericht - fühlt sich aber meist so. Man muss den mindestens unausgesprochenen Vorwurf entkräften, ein/e wenig belastbare/r Minderleister/in zu sein, eventuell noch mit schlechtem Zeitmanagement und mangelhafter Arbeitsorganisation - so übrigens auch der Tenor in den oben erwähnten Gerichtsprozessen: „es ist letztlich Sache des einzelnen Lehrers, ob [sic!] und wie er die ihm übertragenen Aufgaben in der für alle geltenden Arbeitszeit erledigt“ (https://openjur.de/u/677997.html).

41 Wochenstunden reichen nicht? Wieder Pech gehabt!

Sie sind also selber schuld, wenn Sie es nicht schaffen, mit voller Stelle in den vorgesehenen 41 Wochenstunden für sechs oder sieben Hauptfach-Lerngruppen guten, modernen Unterricht vor- und nachzubereiten, die zugehörigen 700 Klassenarbeiten/Klausuren pro Jahr gerichtsfest zu korrigieren, eine engagierte Klassenleitung zu sein, an Elternsprechtagen 20, 30 oft schwierige Gespräche gegen die Uhr zu führen, sich gut um die Seiteneinsteiger/innen und Inklusionskinder (u. a. mit emotional-sozialen Entwicklungsstörungen) zu kümmern, an allen Konferenzen teilzunehmen, zum x-ten Mal die Curricula zu überarbeiten und und und… 
Dabei besteht die „Verfehlung“ der Teilzeitbeantragenden oft nur darin, dass sie sich nun einmal für Fächer entschieden haben, die sie mögen und können und die sie nicht unter dem Gesichtspunkt Arbeitsvermeidung gewählt haben - die dummerweise aber halt mit zeitintensiven Korrekturen verbunden sind, für die es fast keinen Ausgleich gibt, weder zeitlich noch finanziell. Von weniger korrekturbelasteten „Kolleg/inn/en“ bekommt man dann gerne noch den unfassbar dummen und zynischen Spruch „Augen auf bei der Fächerwahl!“ zu hören, der unfreiwillig zum einen starke Empathiebefreitheit und zum anderen eventuell zweifelhafte Motive bei ihrer eigenen Fächerwahl offenbart.

Teilzeit als Schutz

Die meisten Lehrkräfte unterrichten ihre Fächer gerne und viele tun es gut. Letzteres ist aber Korrekturfachlehrkräften - nicht zuletzt wegen der allgemein gestiegenen Arbeitsbelastung und -verdichtung, u. a. durch Digitalisierung - inzwischen oft nur noch möglich, wenn sie ihr Deputat reduzieren, um ihrem Arbeitsethos, ihren eigenen (meist keineswegs überzogenen) Ansprüchen und denen der Schüler/innen, Eltern sowie den offiziellen Vorgaben (individuelle Förderung usw.) gerecht werden zu können. An sich doch ein guter Grund bzw. eine gute Voraussetzung für „voraussetzungslose Teilzeit“. Weitere eigentlich gut nachvollziehbare und regelmäßig als Antragsbegründung genannte Voraussetzungen: Erhaltung der Gesundheit und Arbeitskraft (kein reines Privatvergnügen, sondern auch Beamtenpflicht), Schutz der Partnerschaft und der Familie, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Unschöne Folgen der Beschränkung von Teilzeitmöglichkeiten

Wird nun die Möglichkeit erschwert oder ganz genommen, deswegen Teilzeit zu beantragen, und ändern sich die Arbeitsbedingungen nicht, bleiben der Lehrkraft oft nur noch (für sie selbst wie für die Schüler/innen wie für die Steuerzahlenden) sehr unbefriedigende „Lösungen“ wie die Flucht in den vorzeitigen Ruhestand. Oder in die „stille Kündigung“, in den Dienst nach Vorschrift. Oder im Extremfall in die tatsächliche Kündigung: 2023 kehrten in NRW 930 Lehrkräfte der Schule den Rücken (2013 waren es nur 299). Oder aber der Körper ist klüger als der Kopf und zieht die Reißleine in Form von Krankheit. (Die Überlastungsanzeige durch eine einzelne Lehrkraft ist erfahrungsgemäß keine gute Idee.)

Fazit

Die Beschränkung der „Teilzeit aus anderen guten Gründen“, wie man die „voraussetzungslose Teilzeit“ zutreffender nennen sollte, 
- bedient populistisch die üblichen Vorurteile gegenüber Lehrkräften, 
- setzt Lehrer/innen ungerechtfertigt Gängelung, Misstrauen, Rechtfertigungsdruck aus,
- ist ein Rohrkrepierer, denn sie 
- verringert die Attraktivität des Lehrberufs noch mehr und
- verbessert vor allem die Unterrichtsversorgung auf Dauer nicht.  

Sie ist daher so schnell wie möglich wieder zurückzunehmen!
                             

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