Personalratswahlen 2024 vom 6.5.-13.6.

Informieren Sie sich hier über unser Wahlprogramm!

Lehrerarbeitszeit: Nicht zu (er)fassen!?

Nach den zum Teil realitätsfernen Empfehlungen der "Ständigen wissenschaftlichen Kommission" der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Behebung des Lehrkräftemangels gibt es nun neue originelle Vorschläge. Dass diese allerdings auch Anklang finden bei realitätsaffinen Menschen, die Lehrkräfte nicht pauschal für "faule Säcke" halten, erscheint zweifelhaft. Die Vorschläge beziehen sich auf die Erfassung der Lehrerarbeitszeit.

Sie ist erfassbar

Seit Jahrzehnten ist die Arbeitszeit von Lehrkräften von unterschiedlichen Institutionen und mit unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen erfasst worden Mummert + Partner 1999, Niedersächsische Arbeitszeitstudie 2015/16, LAIW-Studie 2020 u. a.). Nie kam etwas anderes dabei heraus, als dass die gemessene Lehrerarbeitszeit im Schnitt über dem Soll lag, in Extremfällen sogar um 100 %. Der Lehrerarbeitszeitforscher Frank Mußmann wirkte an der Niedersächsischen Arbeitszeitstudie 2015/16 mit und stellt in seinem überzeugenden Fachartikel "Die Arbeitszeit von Lehrkräften: Bestimmbar und unter Druck" fest: "Das Problem der Unbestimmbarkeit kann nach den jüngsten Methodenfortschritten als überwunden und die Arbeitszeit von Lehrkräften somit als bestimmbar gelten."

Es ist unfassbar

Mußmann muss man 😊 aber offenbar auf Seiten der Verantwortlichen in Zeiten von Lehrkräftemangel nicht zur Kenntnis nehmen. Ebenso wenig offenbar die Tatsache, dass 2019 der EuGH und 2022 das Bundesarbeitsgericht eine grundsätzliche Verpflichtung zur Erfassung der (Gesamt-)Arbeitszeit festgeschrieben haben - die, mit wenigen Ausnahmen (wie leitende Angestellte), für alle normalen Arbeitnehmer/-innen gilt.
Beides hielt aber die Vorsitzende der KMK Katharina Günther-Wünsch nicht davon ab, in einem Brief an Arbeitsminister Heil Sonderregelungen für Lehrkräfte zu fordern. Sie begründet das damit, dass deren Arbeitszeiten ja nicht oder nur zum Teil messbar seien - und ignoriert damit mindestens ein Vierteljahrhundert Arbeitszeitforschung (sowie das Recht auf Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer/-innen).

Fassungslos …

… macht auch ihr Hinweis, die Attraktivität des Lehrerberufs hänge mit dessen freier Zeiteinteilung zusammen. Die aktuellen Studien zur Lehrerarbeitszeit und Lehrergesundheit zeigen eindeutig, dass die zunehmend erlebte Entgrenzung von Arbeitszeit - auch im Zuge der Digitalisierung - und ein oft nicht zu schaffendes Aufgabenpensum die Betroffenen in die Verzweiflung, stille Kündigung, vorzeitige Pensionierung treiben. Oder in die sogenannte „voraussetzungslose“ Teilzeit - so denn noch möglich, denn das „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ in NRW z. B. hat diese Möglichkeit stark beschnitten. All dies dürfte den Mangel an Lehrkräften langfristig nur noch verschärfen und nicht dazu beitragen, dass die Lücke von 20.000 bis zu 80.000 Lehrkräften in der Zukunft möglichst schnell geschlossen werden kann.

An der Wirklichkeit vorbei geht auch Frau Günther-Wünschs Hinweis, dass die geplante Arbeitszeiterfassung nur für tarifbeschäftigte Lehrer/-innen gelte, nicht für verbeamtete, und somit eine Ungleichbehandlung drohe. Das stimmt nicht, denn bei Beamten greift zwar das deutsche Arbeitszeitgesetz nicht unmittelbar, doch sind die Bundesländer als ihre Dienstherren an die europäische Rechtsprechung und das Arbeitsschutzgesetz gebunden. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht also für alle Lehrkräfte.

Zum Glück scheint aber im Arbeitsministerium mehr Realitäts- und Gerechtigkeitssinn vorhanden zu sein als bei der KMK: Was Frau Günther-Wünsch wünscht, wurde erst einmal abgelehnt. In Baden-Württemberg will man nun den angekündigten Gesetzesvorschlag zur Arbeitszeiterfassung abwarten und dann schauen, wie er für die Lehrkräfte dort umzusetzen sei. Als ob es hier große Gestaltungsspielräume gäbe. Und als ob dort im Kultusministerium sich noch niemand Gedanken gemacht hat, was eigentlich passiert, wenn tatsächlich das umgesetzt wird, was sich seit dem immerhin über vier Jahre alten EuGH-Urteil abzeichnet: dass Lehrkräfte nicht länger unbegrenzt viele zusätzliche Verwaltungsaufgaben übernehmen, Hefte korrigieren, Elterngespräche führen, überflüssige Konzepte ausarbeiten müssen, sondern auch für sie die Obergrenze von 1.804 Arbeitsstunden im Jahr gilt.

 

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.