Hier finden Sie die Ergebnisse der Personalratswahlen 2024.
Die Korrekturfachlehrer – eine unwählbare, abgesplitterte, monothematische Lokführerpartei?
Ja, wir sind in der Tat eine „Splittergruppe“, wie uns ein größerer Verband in seiner Wahlbroschüre bezeichnet. (Ein Filou, wer Böses dabei denkt …) Viele von uns sind von diesem Verband „abgesplittert“ aus Enttäuschung darüber, dass er aus unserer Sicht sich zu wenig ernsthaft gegen die Überbelastung durch zu viele Korrekturen einsetzt. Ja, wir sind ein Splitter, ein Stachel im Fleisch der anderen Verbände, die es sich nicht leisten können oder wollen, allzu deutlich auf die massive Benachteiligung von Korrekturfachlehrkräften hinzuweisen.
Natürlich hat die abwertend gemeinte Bezeichnung „Splittergruppe“ die Untertöne 'extrem(istisch)', 'zu klein, um etwas zu bewirken', 'nicht für voll zu nehmen', 'Ein-Thema-Verband', 'eine Art Lokführergewerkschaft in der Schule‘. Zu diesen Untertönen:
Wenn es extrem ist, extrem oft auf extreme Ungleichheit bei der Korrekturbelastung hinzuweisen nun, dann sind wir in dieser Hinsicht in der Tat extrem. Und stolz drauf.
Klein sind wir, aber nicht zu klein, um uns zumindest so viel Gehör zu verschaffen, dass die anderen Verbände und das Bildungsministerium das Thema Korrekturen nicht mehr ausblenden können – vgl. die Reduzierung der Klassenarbeiten in den Klassen 7 und 8 in diesem Schuljahr. Auch zu Themen wie die geplante Oberstufenreform werden wir gefragt und haben wir etwas zu sagen.
Der oben erwähnte größere Verband muss uns in seiner Arroganz nicht für voll nehmen – solange diejenigen Kolleginnen und Kollegen dies tun, die erfahren haben, dass auch unsere Personalratsmitglieder sich kompetent voll für sie und ihre Anliegen einsetzen.
Und ein Ein-Thema-Verband sind wir gleichfalls nicht. Auch wenn vor allem in Zeiten von Korrekturbelastungsspitzen (wie jetzt auch bei ZP10 und Abitur) viele Hauptfachlehrkräfte das Gefühl haben, dass zeitweise das eine Thema Korrekturen alles andere bestimmt bzw. belastet – Gesundheit, Arbeitskraft, Partnerschaft, Familie, Freizeit. Ein Ein-Thema-Leben, zumindest zeitweise, so empfinden es viele Betroffene. Korrekturen sind nicht alles (so eine weitere Spitze jenes großen Verbandes gegen uns), richtig. Aber ohne eine Korrektur der Korrekturbelastung ist alles nichts für die Korrigierenden. Und auch wenn unser offizieller Name „Vereinigung der KorrekturfachlehrerInnen“ (VKL) eine Verengung auf ein Thema vielleicht vermuten lässt: Der Name soll nur auf einen besonders sicht- und fühlbaren Aspekt des Komplexes Arbeitszeitgerechtigkeit hindeuten, die unser Hauptanliegen ist und die wir für alle Lehrkräfte erreichen wollen. Unsere Personalratsmitglieder sind selbstverständlich nicht nur für Vielkorrigierer/innen da, sondern für alle, für Beamte wie Angestellte (bei denen Vielkorrigierende durch ihre geringere Bezahlung doppelt „gestraft“ sind – nach wie vor ein stiller Skandal), für Haupt- wie Nebenfachlehrkräfte. Wir versuchen, nicht nur Korrekturbelasteten zu helfen, sondern natürlich auch bei Themen wie Mehrarbeit allgemein, „voraussetzungslose“ Teilzeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Beförderung, Altersteilzeit, Probleme im Referendariat, Vertretungsstellen, Abordnungen u. v. m.
Ebenfalls unzutreffend ist der ausgesprochene oder unausgesprochene Vorwurf, eine Art schulische Lokführergewerkschaft zu sein, die ohne Rücksicht auf Verluste und mit Scheuklappen nur ihre elitären Partikularinteressen im Blick hat. Viele von uns unterrichten auch Nebenfächer und wissen, dass auch diese sehr arbeitsintensiv sein können, wenn man sie gut unterrichten möchte. Zudem ist Gleichwertigkeit der Fächer für uns nicht nur ein Schlagwort – wir sehen uns nicht als Helden der Arbeit, die auf andere mit weniger oder ohne Korrekturen herabblicken dürfen. Zumal keine einzige Lehrkraft irgendetwas kann für die ungleiche Belastung durch Pflichtkorrekturen – die ist ein systemisches Problem, das nicht von der einzelnen Schule, sondern endlich vom Schulsystem zumindest angegangen werden muss (Stichwort Arbeitszeiterfassung).
All dies ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass die Hauptfachlehrkräfte zumindest von der arbeitszeitlichen Belastung her die Wasserträger/innen des Systems sind, die Lokomotiven, die Zugmaschinen, die einen Großteil der Arbeitslast in der Schule fortschaffen müssen – durch Klassenleitungen, durch den Zwang, den Stoff in den Hauptfächern komplett „durchzukriegen“, durch 40 Gespräche an einem Elternsprechtag, durch bis zu 800 zu korrigierende Hefte pro Schuljahr.
Falls Sie nicht zu diesen 15 % gehören, die zwei Hauptfächer unterrichten: Auch Sie dürfen uns gerne wählen, denn auch Sie sind doch sicher für Arbeitszeitgerechtigkeit, für Fairness, für gelebte Solidarität und Kollegialität, für weniger gestresste und besser gelaunte Hauptfachkolleg/inn/en, die im Kollegiumszimmer dann auch mal wieder über andere Themen sprechen als ihre vielen Hefte. Die außerdem dann wieder mehr Zeit für schulische Zusatzaufgaben haben und durch wegfallende Korrekturtage dann auch weniger von Ihnen vertreten werden müssen. ;)
Düsseldorfer Erklärung: Lehrerverbände und Landeselternschaft verabschieden eine gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus
Ein breites Bündnis verschiedener Lehrkräfteverbände Nordrhein-Westfalens hat in Düsseldorf eine gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus unterzeichnet und sich zur Solidarität mit allen von Antisemitismus Betroffenen bekannt.
Antisemitismus muss demnach über Bildung und Aufklärung in den Schulen entschieden und dauerhaft entgegengewirkt werden. Das Treffen fand vor dem Hintergrund des seit dem 07. Oktober drastisch angestiegenen Antisemitismus statt. Anlass war der diesjährige Jom Hashoa, der Tag des Gedenkens an die Opfer der Shoa und an das Heldentum des jüdischen Widerstandes, der in diesem Jahr auf den 5./6. Mai fällt. Eingeladen hatten die Jüdische Gemeinde Düsseldorf und die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit – Beratung bei Rassismus und Antisemitismus (SABRA).
Bert Römgens, Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, begrüßte die Düsseldorfer Erklärung: „Wir beobachten seit dem 07. Oktober eine deutlich gestiegene Zahl an Beratungsanfragen. Jüdische Eltern sorgen sich vor Antisemitismus – auch an Schulen. Jüdische Kinder und Jugendliche müssen sich fragen, ob sie ihre jüdische Identität in der Schule noch zeigen können, weil sie Angst vor Übergriffen haben. Die Düsseldorfer Erklärung der Lehrerverbände und der Landeselternkonferenz ist ein klares Zeichen der Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde. Bildung ist ein zentraler Schlüssel gegen Antisemitismus. Bildung gegen Antisemitismus ist aber nicht erst seit dem 7. Oktober eine Daueraufgabe. Es ist gut, die Verbände dabei an unserer Seite zu wissen.”
Sebastian Mohr, SABRA-Teamleiter, erklärte: „Die Düsseldorfer Erklärung ist ein starkes Zeichen und unterstreicht die gemeinsamen Anstrengungen der vergangenen Monate, sich einem drastisch angestiegenen Antisemitismus seit dem 07. Oktober zur Wehr zu setzen. SABRA wird auch in Zukunft in NRW zusammen mit allen am Schulleben Beteiligten gegen Antisemitismus aktiv vorgehen und insbesondere Lehrkräfte durch Workshops und innovative Angebote in ihrer immanent wichtigen Tätigkeit kontinuierlich unterstützen.”
Die Vertreterinnen und Vertreter der Verbände betonten einhellig, dass es die dringliche Aufgabe von Schulen sei, pädagogisch entschieden gegen Antisemitismus vorzugehen.
Verabschiedet wurde die Düsseldorfer Erklärung von neun Verbänden:
GEW – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
lehrer nrw
LEK NRW – Landeselternkonferenz NRW
PhV NRW – Philologenverband NRW
SchaLL NRW – Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer in NRW
VBE NRW – Verband Bildung und Erziehung Landesverband NRW
Vereinigung der KorrekturfachlehrerInnen e.V.
vlw nrw NRW – Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen in NRW
vlbs nrw – Verband der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs in NRW
Es reicht!
Stellungnahme einer Lehrkraft zur Begrenzung der voraussetzungslosen Teilzeit.
Voraussetzungslose (?) Teilzeit
Ist die so genannte „voraussetzungslose Teilzeit“ nach § 63 Landesbeamtengesetz (LBG) wirklich voraussetzungslos?
Die Frage stellen heißt sie verneinen. Der Begriff ist eine sprachliche Mogelpackung, mindestens aber irreführend, und suggeriert Außenstehenden wie z. B. dem Wahlvolk, dass eine Lehrkraft, die sie in Anspruch nehmen möchte, eigentlich keine so „richtigen“ Gründe dafür hat, wie es z. B. die Betreuung von minderjährigen Kindern (§ 64 LBG) oder pflegebedürftigen Angehörigen (§ 67 LBG) ist.
Beschränkung von Teilzeitmöglichkeiten politisch motiviert
Da verwundert es nicht, dass die Politik in Zeiten des Lehrkräftemangels hier eine gute Möglichkeit sieht, a) die Unterrichtsversorgung zu verbessern, b) sich dem Wahlvolk als Kümmerer in puncto Bildungspolitik anzudienen und c) als netten Nebeneffekt in populistischer Weise den Eindruck zu erwecken, man würde jetzt Schlupflöcher für die faulen, überbezahlten Lehrer/innen schließen. Die ja nur deshalb Teilzeit beantragen, um länger auf dem Tennisplatz stehen und hedonistisch an ihrer Work-Life-Balance arbeiten zu können.
Problem der Nichterfassung der Arbeitszeit im Bereich Schule
Tatsache ist allerdings, dass die so genannte „voraussetzungslose Teilzeit“ oft in blanker Notwehr beantragt wird. Wie die meisten anderen Arbeitnehmer/innen klaren Verstandes reduzieren auch Lehrerinnen und Lehrer nicht ohne Not ihr Gehalt und ihre Pensions- bzw. Rentenansprüche, entweder über Jahre oder gar ihr ganzes Berufsleben lang. Anders aber als in vielen anderen Branchen wird die Arbeitszeit von Lehrkräften nicht einmal erfasst, obwohl dies laut dem „Stechuhr“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019 und seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von 2022 eigentlich längst verpflichtend ist.
Im Gegensatz zu den Arbeitnehmenden anderer Bereiche haben also Lehrkräfte an-gesichts fehlender Arbeitszeiterfassung nicht einmal die Möglichkeit, eine zeitliche Überlastung - z. B. durch ein Übermaß an Pflichtkorrekturen - nachzuweisen. Eini-ge Mitglieder der „Vereinigung der KorrekturfachlehrerInnen“ (VKL) haben dies-bezüglich Gerichtsprozesse geführt - und wurden allesamt mit den Hinweisen ab-gebügelt, dass a) ihre genaue Arbeitszeit gar nicht erfassbar sei (schon mal ein Ar-mutszeugnis an sich und außerdem längst empirisch widerlegt, vgl. den Artikel „Lehrerarbeitszeit: Nicht zu (er)fassen!?“ hier auf der Homepage) und dass b) sie ihre zu hohe zusätzliche zeitliche Mehrbelastung durch Pflichtkorrekturen nicht nachvollziehbar hätten darlegen können (die zumindest aber für all jene Nichtjurist/inn/en unmittelbar einsichtig ist, welche die Grundrechenarten Addition und Multiplikation beherrschen).
Wie Schulleitungen und Dezernent/inn/en schulische Belastung kleinrechnen
Ein vergleichbares Problem haben Lehrkräfte, wenn Schulleitung und Bezirksregierung anlässlich der (seit dem „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ verpflichtenden) intensiven Einzelfallprüfung über ihren Teilzeitantrag „zu Gericht sitzen“. Und so ist es schon vorgekommen, dass einer „Angeklagten“ mit zwei Korrekturfächern, die eine zu hohe zeitliche Belastung durch unvermeidliche Korrekturen zur „Verteidigung“ ihres Teilzeitantrags vorbrachte, von Seiten der „Anklage“ beschieden wurde, ihr Korrektur- und Unterrichtsaufwand sei ja eigentlich gering. An „belastendem Material“ wurde geltend gemacht, sie sei aktuell ja nur in einem Fach eingesetzt (bei wohlgemerkt zwei Korrekturfächern), habe keine Oberstufe sowie parallele Lerngruppen, in denen dann ja auch nur eine Klassenarbeit gestellt werden müsse. Subtext: Stellen Sie sich also mal nicht so an.
Wolkenkuckucksheim meets Schulwirklichkeit
Derart unwürdig angegriffen, können dann solchermaßen „Angeklagte“ - und ggf. die „Verteidigung“ (z. B. in Form des Personalrats) - zur „Entlastung“ versuchen, das „Urteil“ (Ablehnung des Teilzeitantrags) noch abzuwenden, indem sie z. B. der Bezirksregierung und den Schulleitungen (bei denen „Sprachler/innen“ oder gar „Doppelkorrigierer/innen“ stark unterrepräsentiert sind, woraus oft wenig Verständnis für Vielkorrigierende resultiert) aus der schulischen Wirklichkeit bzw. dem Alltag von Korrekturfachlehrkräften berichten. In dieser erstaunlichen Parallelwelt sind nicht nur die Korrekturen in der Oberstufe kaum zu bewältigen, sondern auch Unter- und Mittelstufenklassen oft sehr voll, was zudem die Wahrscheinlichkeit von Nachschreiber/inne/n (noch mal ein ganz eigenes Thema) oder gar Nach-Nachschreiber/inne/n erhöht, was wiederum den Arbeits- und Organisationsaufwand weiter steigert. In dieser tatsächlichen, echten Schulwelt kann man auch in den seltensten Fällen Lerngruppen auf Dauer so parallel führen, dass sie inhaltsgleiche Klassenarbeiten schreiben können, am besten auch noch zeitgleich. Denn bei den Lernenden spricht sich schnell herum, welche Lehrkraft in ihren parallelen Kursen gleiche oder sehr ähnliche Arbeiten schreiben lässt. Sobald aber Schüler/innen und/oder deren Eltern Vor- oder Nachteile für die eine oder andere dieser parallelen Lerngruppen oder für Nachschreiber/innen erkennen und „nach oben“ berichten, hat die betroffene Lehrkraft ein Problem.
Falsche Bezirksregierung und/oder falsche Fächer ausgesucht? Pech gehabt!
Wie stehen nun die Chancen für die „Angeklagten“, wenn sie sich nach ihrem Teilzeitantrag vor ein solches „Tribunal“ gestellt sehen? Es kommt sehr auf das jeweilige „Tribunal“ an, denn anscheinend wird in den fünf verschiedenen NRW-Bezirksregierungen eine jeweils unterschiedliche Verwaltungspraxis geübt. So werden offenbar bei der einen Bezirksregierung Teilzeitanträge von Lehrkräften über 55 generell bewilligt, bei der anderen Bezirksregierung nicht. Und bei mindestens einer Bezirksregierung werden zu viele Korrekturen ausdrücklich nicht als Bewilligungsgrund anerkannt. Ansonsten gilt: Vor Gericht und auf hoher See…
Natürlich steht man mit seinem Teilzeitantrag nicht wirklich vor Gericht - fühlt sich aber meist so. Man muss den mindestens unausgesprochenen Vorwurf entkräften, ein/e wenig belastbare/r Minderleister/in zu sein, eventuell noch mit schlechtem Zeitmanagement und mangelhafter Arbeitsorganisation - so übrigens auch der Tenor in den oben erwähnten Gerichtsprozessen: „es ist letztlich Sache des einzelnen Lehrers, ob [sic!] und wie er die ihm übertragenen Aufgaben in der für alle geltenden Arbeitszeit erledigt“ (https://openjur.de/u/677997.html).
41 Wochenstunden reichen nicht? Wieder Pech gehabt!
Sie sind also selber schuld, wenn Sie es nicht schaffen, mit voller Stelle in den vorgesehenen 41 Wochenstunden für sechs oder sieben Hauptfach-Lerngruppen guten, modernen Unterricht vor- und nachzubereiten, die zugehörigen 700 Klassenarbeiten/Klausuren pro Jahr gerichtsfest zu korrigieren, eine engagierte Klassenleitung zu sein, an Elternsprechtagen 20, 30 oft schwierige Gespräche gegen die Uhr zu führen, sich gut um die Seiteneinsteiger/innen und Inklusionskinder (u. a. mit emotional-sozialen Entwicklungsstörungen) zu kümmern, an allen Konferenzen teilzunehmen, zum x-ten Mal die Curricula zu überarbeiten und und und…
Dabei besteht die „Verfehlung“ der Teilzeitbeantragenden oft nur darin, dass sie sich nun einmal für Fächer entschieden haben, die sie mögen und können und die sie nicht unter dem Gesichtspunkt Arbeitsvermeidung gewählt haben - die dummerweise aber halt mit zeitintensiven Korrekturen verbunden sind, für die es fast keinen Ausgleich gibt, weder zeitlich noch finanziell. Von weniger korrekturbelasteten „Kolleg/inn/en“ bekommt man dann gerne noch den unfassbar dummen und zynischen Spruch „Augen auf bei der Fächerwahl!“ zu hören, der unfreiwillig zum einen starke Empathiebefreitheit und zum anderen eventuell zweifelhafte Motive bei ihrer eigenen Fächerwahl offenbart.
Teilzeit als Schutz
Die meisten Lehrkräfte unterrichten ihre Fächer gerne und viele tun es gut. Letzteres ist aber Korrekturfachlehrkräften - nicht zuletzt wegen der allgemein gestiegenen Arbeitsbelastung und -verdichtung, u. a. durch Digitalisierung - inzwischen oft nur noch möglich, wenn sie ihr Deputat reduzieren, um ihrem Arbeitsethos, ihren eigenen (meist keineswegs überzogenen) Ansprüchen und denen der Schüler/innen, Eltern sowie den offiziellen Vorgaben (individuelle Förderung usw.) gerecht werden zu können. An sich doch ein guter Grund bzw. eine gute Voraussetzung für „voraussetzungslose Teilzeit“. Weitere eigentlich gut nachvollziehbare und regelmäßig als Antragsbegründung genannte Voraussetzungen: Erhaltung der Gesundheit und Arbeitskraft (kein reines Privatvergnügen, sondern auch Beamtenpflicht), Schutz der Partnerschaft und der Familie, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Unschöne Folgen der Beschränkung von Teilzeitmöglichkeiten
Wird nun die Möglichkeit erschwert oder ganz genommen, deswegen Teilzeit zu beantragen, und ändern sich die Arbeitsbedingungen nicht, bleiben der Lehrkraft oft nur noch (für sie selbst wie für die Schüler/innen wie für die Steuerzahlenden) sehr unbefriedigende „Lösungen“ wie die Flucht in den vorzeitigen Ruhestand. Oder in die „stille Kündigung“, in den Dienst nach Vorschrift. Oder im Extremfall in die tatsächliche Kündigung: 2023 kehrten in NRW 930 Lehrkräfte der Schule den Rücken (2013 waren es nur 299). Oder aber der Körper ist klüger als der Kopf und zieht die Reißleine in Form von Krankheit. (Die Überlastungsanzeige durch eine einzelne Lehrkraft ist erfahrungsgemäß keine gute Idee.)
Fazit
Die Beschränkung der „Teilzeit aus anderen guten Gründen“, wie man die „voraussetzungslose Teilzeit“ zutreffender nennen sollte,
- bedient populistisch die üblichen Vorurteile gegenüber Lehrkräften,
- setzt Lehrer/innen ungerechtfertigt Gängelung, Misstrauen, Rechtfertigungsdruck aus,
- ist ein Rohrkrepierer, denn sie
- verringert die Attraktivität des Lehrberufs noch mehr und
- verbessert vor allem die Unterrichtsversorgung auf Dauer nicht.
Sie ist daher so schnell wie möglich wieder zurückzunehmen!
Lehrerarbeitszeit: Nicht zu (er)fassen!?
Nach den zum Teil realitätsfernen Empfehlungen der "Ständigen wissenschaftlichen Kommission" der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Behebung des Lehrkräftemangels gibt es nun neue originelle Vorschläge. Dass diese allerdings auch Anklang finden bei realitätsaffinen Menschen, die Lehrkräfte nicht pauschal für "faule Säcke" halten, erscheint zweifelhaft. Die Vorschläge beziehen sich auf die Erfassung der Lehrerarbeitszeit.
Sie ist erfassbar
Seit Jahrzehnten ist die Arbeitszeit von Lehrkräften von unterschiedlichen Institutionen und mit unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen erfasst worden Mummert + Partner 1999, Niedersächsische Arbeitszeitstudie 2015/16, LAIW-Studie 2020 u. a.). Nie kam etwas anderes dabei heraus, als dass die gemessene Lehrerarbeitszeit im Schnitt über dem Soll lag, in Extremfällen sogar um 100 %. Der Lehrerarbeitszeitforscher Frank Mußmann wirkte an der Niedersächsischen Arbeitszeitstudie 2015/16 mit und stellt in seinem überzeugenden Fachartikel "Die Arbeitszeit von Lehrkräften: Bestimmbar und unter Druck" fest: "Das Problem der Unbestimmbarkeit kann nach den jüngsten Methodenfortschritten als überwunden und die Arbeitszeit von Lehrkräften somit als bestimmbar gelten."
Es ist unfassbar
Mußmann muss man 😊 aber offenbar auf Seiten der Verantwortlichen in Zeiten von Lehrkräftemangel nicht zur Kenntnis nehmen. Ebenso wenig offenbar die Tatsache, dass 2019 der EuGH und 2022 das Bundesarbeitsgericht eine grundsätzliche Verpflichtung zur Erfassung der (Gesamt-)Arbeitszeit festgeschrieben haben - die, mit wenigen Ausnahmen (wie leitende Angestellte), für alle normalen Arbeitnehmer/-innen gilt.
Beides hielt aber die Vorsitzende der KMK Katharina Günther-Wünsch nicht davon ab, in einem Brief an Arbeitsminister Heil Sonderregelungen für Lehrkräfte zu fordern. Sie begründet das damit, dass deren Arbeitszeiten ja nicht oder nur zum Teil messbar seien - und ignoriert damit mindestens ein Vierteljahrhundert Arbeitszeitforschung (sowie das Recht auf Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer/-innen).
Fassungslos …
… macht auch ihr Hinweis, die Attraktivität des Lehrerberufs hänge mit dessen freier Zeiteinteilung zusammen. Die aktuellen Studien zur Lehrerarbeitszeit und Lehrergesundheit zeigen eindeutig, dass die zunehmend erlebte Entgrenzung von Arbeitszeit - auch im Zuge der Digitalisierung - und ein oft nicht zu schaffendes Aufgabenpensum die Betroffenen in die Verzweiflung, stille Kündigung, vorzeitige Pensionierung treiben. Oder in die sogenannte „voraussetzungslose“ Teilzeit - so denn noch möglich, denn das „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ in NRW z. B. hat diese Möglichkeit stark beschnitten. All dies dürfte den Mangel an Lehrkräften langfristig nur noch verschärfen und nicht dazu beitragen, dass die Lücke von 20.000 bis zu 80.000 Lehrkräften in der Zukunft möglichst schnell geschlossen werden kann.
An der Wirklichkeit vorbei geht auch Frau Günther-Wünschs Hinweis, dass die geplante Arbeitszeiterfassung nur für tarifbeschäftigte Lehrer/-innen gelte, nicht für verbeamtete, und somit eine Ungleichbehandlung drohe. Das stimmt nicht, denn bei Beamten greift zwar das deutsche Arbeitszeitgesetz nicht unmittelbar, doch sind die Bundesländer als ihre Dienstherren an die europäische Rechtsprechung und das Arbeitsschutzgesetz gebunden. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht also für alle Lehrkräfte.
Zum Glück scheint aber im Arbeitsministerium mehr Realitäts- und Gerechtigkeitssinn vorhanden zu sein als bei der KMK: Was Frau Günther-Wünsch wünscht, wurde erst einmal abgelehnt. In Baden-Württemberg will man nun den angekündigten Gesetzesvorschlag zur Arbeitszeiterfassung abwarten und dann schauen, wie er für die Lehrkräfte dort umzusetzen sei. Als ob es hier große Gestaltungsspielräume gäbe. Und als ob dort im Kultusministerium sich noch niemand Gedanken gemacht hat, was eigentlich passiert, wenn tatsächlich das umgesetzt wird, was sich seit dem immerhin über vier Jahre alten EuGH-Urteil abzeichnet: dass Lehrkräfte nicht länger unbegrenzt viele zusätzliche Verwaltungsaufgaben übernehmen, Hefte korrigieren, Elterngespräche führen, überflüssige Konzepte ausarbeiten müssen, sondern auch für sie die Obergrenze von 1.804 Arbeitsstunden im Jahr gilt.